Die Kraft der Gedanken – oder „Neudeutsch“: Power of Mind – was ist das und was soll das bedeuten? Ich versuche damit, in einer kurzen Überschrift verschiedenste Techniken, Ideen und Philosophien zusammenzufassen, die nach meinem Verständnis ganz eng miteinander verwoben sind und gut zusammenpassen. Ich rede von Mental Training und Mental Coaching, Visualisierung, Entspannungstechniken, Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn, also achtsamkeitsbasierte Stressreduktion und ähnliche, damit verwandte Techniken, autogenes Training, progressive Muskelentspannung und natürlich Hypnose. Vieles passt zusammen, manches überschneidet sich und manches kann man auch klar voneinander trennen.
Doch fangen wir an der Basis an. Nach meinem Verständnis und wie schon oft beschrieben, nehme ich gerne das Modell der zwei Systeme im Gehirn an. Also System 1, das Unterbewusste und System 2, das Bewusste.

-> System 1:
Schnell & automatisch, immer aktiv, emotional, unbewusst
-> System 2:
Langsam, willentlich gesteuert, anstrengend, selten aktiv, logisch, berechnend, bewusst
Die Kraft unserer Gedanken
Mit „Power of Mind“ verstehe ich die Kraft und das Potenzial, die uns durch verschiedenste Gedankentechniken gegeben sind. Ich möchte dazu eine Parallele zum Bereich der professionellen Problemlösung ziehen. Der erste Schritt, bei jeder mir bekannten Methode, ist das Erfassen der aktuellen Situation und das Erkennen des Problems. Dabei wird versucht, so neutral wie möglich zu beobachten und Daten und Fakten werden gesammelt. Wichtig ist dabei, im ersten Schritt nicht zu schnell zu bewerten und nicht zu „spontanen Lösungen“ zu springen. (Einschub und Tipp aus dem Alltag: Einmal kann man das versuchen. Wenn es klappt, klasse! Falls nicht, zurück und systematisch arbeiten…)
Beobachten
Der Prozess des Beobachtens wird im besten Fall also aus System 2 gesteuert und es wird nicht die Führung an System 1 abgegeben. Zuerst wird Transparenz über die Ist-Situation angestrebt. So wie wir das im technischen Umfeld oder im „Business Kontext“ lernen, so geht das auch mit unserem Gehirn, mit unseren Emotionen, mit unseren Gedanken und Stimmungen. Das Werkzeug der Wahl heißt hier Achtsamkeit. Die Achtsamkeit bietet die Basis für die spätere Reflexion und für mögliche, verändernde Eingriffe. Die Achtsamkeitsübungen, so wie ich diese verstehe und anwende, sind primär Übungen und Techniken des zunächst möglichst intensionslosen Beobachtens. Dabei bleibt jedoch das Bewusstsein in der Führung.

Wir beobachten bewusst. Aufkommende Gedanken und Versuche des Gehirns in Tagträume abzugleiten werden bewusst losgelassen und sollen „weiterziehen“. Wir bleiben im Beobachtermodus. Wir kommen zur Ruhe und achten auf unseren Atem, unsere Gefühle, unsere Kommunikation, unser Führungsverhalten oder sonst irgendwas. Das klingt einfach. Ist es aber nicht. Die Krux liegt oft darin, dass wir zum Beobachten eine gewisse Grundruhe benötigen. D.h. durch das Beobachten, das Achtsam-Sein werden wir meist schon ruhiger. Technisch ausgedrückt: Das Messsystem beeinflusst also die Messstrecke. Die Achtsamkeit beeinflusst zumeist direkt das Beobachtete. Zumindest ist das so, wenn wir kein erleuchteter spiritueller Wandermönch sind. Und wenn wir zu erregt sind oder gerade emotional explodieren, dann ist auch nichts mehr mit Beobachten – dann ist es für den Moment leider schon zu spät (da hat System 1 dann mal kurz zu 100% übernommen und der Beobachter aus System 2 ist kurzfristig außer Gefecht…).
Achtsamkeit und Achtsamkeitstraining ist für mich in der Zusammenfassung: Intensionsloses Beobachten, gesteuert durch das Bewusstsein, aus dem System 2 angestoßen. Achtsamkeit bietet die Basis für Reflexion und Erkennen. Achtsamkeit ist die Brille, die Lupe, der Spiegel, das Werkzeug für Erkenntnis und Wahrnehmung. Dafür brauchen wir ein wenig innere Ruhe und werden mit der Beobachtung i.d.R noch ruhiger.
Ruhe und Klarblick durch
Achtsamkeit und Konzentration
Wenn wir dies etwas weiterführen und professionalisieren, dann folgt aus Achtsamkeit und Konzentration mit der Zeit Ruhe und Klarblick. Wir meditieren.

Wir erkennen die Dinge, wie sie wirklich sind. Und wir haben die Chance uns selbst zu erkennen, so, wie wir wirklich sind. Das Beobachten erzeugt Erkenntnis. Wieder die Parallele zur Problemlösung gezogen: Wenn ich bei einem technischen Problem die Daten gründlich gesammelt habe und transparent darstelle, z.B. in einer Paretodiagramm, dann erkenne ich oft das zugrundeliegende Schema und das Problem wird intuitiv verstanden. Es wird glasklar. Es ergibt sich. Ich erkenne die Natur der Situation, des Problems oder des Prozesses. Natürlich passiert das nicht „einfach so“. Ich bin der Überzeugung, dass hier beim Erkennen, Begreifen und intuitiven Verstehen ganz stark die Erfahrungen aus System 1 Einfluss nehmen. Dazu kann ich nur auf meinen Beitrag vom 04.02.2020 verweisen („Die verschiedenen Ebenen des Verstehens und Erlebens“). Die Kernbotschaft aus diesem Absatz ist für mich: Ruhe und Klarblick können wir durch Achtsamkeit und Konzentration erzeugen. Dabei benötigen wir den Beobachter aus System 2 für die Achtsamkeit und die Konzentration. Die Erfahrungen aus dem Unterbewusstsein sind die „enabler“, also „Befähiger“ zum Erkennen. Die innere Ruhe und der Klarblick entstehen dann aus dem Teamwork der beiden Systeme.
Das Unterbewusste nutzen
Und kommen wir noch zum fokussierten Einsatz von System 1, also dem Unterbewusstsein: Dann sind wir bei den Themen Visualisierung, sich etwas vorstellen, der Autosuggestion und bei autogenem Training, aber auch bei positive Leadership, bei Begeistern, bei „emotional Mitnehmen“ und natürlich im weitesten Sinne bei der Hypnose. Dabei meine ich mit Hypnose zunächst den Zustand der hypnotischen Trance, also einen tief entspannten Wachzustand mit eingeschränkter und auf wenige, bestimmte Inhalte ausgerichtete Aufmerksamkeit. Das Merkmal der in diesem Absatz genannten Techniken ist der Einsatz von System 1, dem Unterbewusstsein.

Wir nutzen unsere Vorstellungen, Erinnerungen, Gefühle und Emotionen. Wir nutzen die Möglichkeit, etwas zu visualisieren, sich etwas vor dem geistigen Auge wahr werden zu lassen, sich an ein Gefühl zu erinnern, eine Bewegung oder einen Geruch, eine innere Einstellung im Geiste zu erleben. Wir nutzen Affirmation. Durch den Einsatz dieser Techniken kommen wir sehr schnell und direkt an unser Unterbewusstsein heran.
Das ist aus Sicht eines Programmierers, wie ein direkter Zugang zu den tiefliegenden Programmstrukturen eines Deep Learning Mechanismus. Es ist, wie die Fähigkeit Maschinencode zu schreiben und die verdeckten tiefliegenden Strukturen direkt beeinflussen zu können.
Potenziale ausschöpfen
Die Kraft unserer Gedanken
Zurück zum Thema. PoM. Power of Mind. Kurz gesagt:
Es gibt ein Sammelsurium an Gedankentechniken, die uns helfen können zu erkennen, zu entspannen, zu verändern, zu optimieren, zu heilen, resistenter und resilienter gegen Stress zu werden. Dabei gibt es Techniken, die stärker an System 2 oder System 1 ansetzen. Letztendlich brauchen wir aber immer beide Systeme und ich glaube nicht, dass wir nur mit einem System arbeiten können (und es ist sowieso nur ein Erklärungsmodel!). Es ist gut und ratsam, sich in dem Werkzeugkasten der Gedankentechniken ein wenig auszukennen und so kann man sich für den jeweiligen Zweck die entsprechenden Werkzeuge wählen.
So kann ich heute vielleicht nur Beobachten, morgen nur Entspannen und an einem anderen Tag mich nur unterhalten oder faszinieren lassen, z.B. durch witzige und fantastische Showhypnose. Und wenn wir gemeinsam ähnliche oder gleiche Werkzeuge benutzen und unsere Gehirn an bestimmten Stellen „synchronisieren“, dann können wir sogar „zusammen schwingen“, Teamspirit erzeugen, eine Stimmung in der Masse erleben, Co-Kreativität fördern und Positive Leadership erleben.
Fangt an!
Das klingt alles ganz banal. Und dennoch steckt im Einfachen oft sehr viel Kraft. Durch den zielgerichteten Einsatz der Werkzeuge und das clevere Verbinden verschiedener Methoden und Techniken entsteht ein unendlich großes Einsatzspektrum mit sehr viel Potenzial. Mein Appell: Schaut es euch an! Fangt an! Versucht es und experimentiert! Für jeden gibt es die richtige und für den Moment passende Kombination an Techniken! Nutzt die Macht der Gedanken. Power of Mind!
2 Antworten auf „PoM – Power of Mind!“
Christian,
wo bleibt die Spontanität? Wird man nicht einfach „ausgebremst“?
Wenn man tiefen entspannt ist, bin ich dann auch schonmal glücklich?
Hallo Silvia, vielen Dank für Deine Fragen. Entspannungsübungen und Achtsamkeit nehmen nach meinem Verständnis nichts weg und bremsen auch nichts aus. Ich sehe darin eine Chance, die eigene Spontanität besser zu erkennen und bewusst zu steuern. So kann man etwas bewusst zulassen oder sich bewusst entscheiden etwas zu sagen oder zu machen oder eben nicht. Die Kunst besteht darin seine Gefühle und Emotionen zu beherrschen und sich nicht beherrschen zu lassen. Und ja, die meisten Menschen fühlen sich durch eine tiefe Entspannung sehr zufrieden und „glücklich“.