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Glaubt doch, was ihr wollt.

Eine menschliche Reflektion

Dies ist die ausgebaute Version des Beitrags vom 08.01.2020

Was wir Menschen wollen. Der Mensch kann zwar tun was er will, aber nicht wollen was er will (Zitat von Arthur Schopenhauer). Gut. Aber was will er denn, der Mensch? Reich sein? Erfolgreich sein? Sexy sein? Ein Philanthrop sein und anderen helfen? Die Umwelt schützen? Macht haben?

Ich glaube, es ist ganz einfach und ziemlich profan: Er will sich wohl fühlen. Der Mensch will sich einfach gut fühlen. Und da gibt es viele Mittel und Wege, dies zu erreichen. Wie sagt man so schön: “Viele Wege führen nach Rom.”

Ich glaube, dass die Kraft der Gedanken und der inneren Einstellung der Schlüssel zu einem Wohlgefühl ist, nach dem die meisten Menschen streben. Dieser banale Satz klingt so einfach und ist dennoch oft im täglichen Leben schwer umzusetzen, bzw. „zu leben“. Die meisten bekannten „Gedankentechniken“ können einen großen Beitrag leisten kann, um inneres Wohlgefühl zu erzeugen.

Techniken im Selbstversuch

Ich selbst habe mich intensiv mit einigen Techniken beschäftigt. So bin ich ausgebildeter Hypnotiseur, habe verschiedene Arten der Meditation ausprobiert, habe mich mit Achtsamkeitstraining und verschiedenen Atemtechniken beschäftigt. Am längsten begleitet mich in diesem Sinne das Tai-Chi, genauer: Taijiquan, eine alte chinesische Kampfkunst aus dem Kreise der sogenannten inneren Kampfkünste.

Mir bietet dieses System sehr viel aus den Bereichen Gesundheit, Spiritualität und Geisteshaltung. Man nennt Tai-Chi auch Meditation in Bewegung. Besonders wertvoll ist Tai-Chi auch um andere einzuschätzen, andere zu fühlen und zu erspüren. Dies wird in erster Linie durch den Kampfkunstaspekt gelehrt, den leider nur wenige Lehrer und Schulen in der westlichen Welt vermitteln.

In den gelernten Techniken habe ich für mich viele Gemeinsamkeiten erkannt und Querverbindungen geschaffen. Vor allem das Ziel oder zumindest die erzielten Effekte sind oft sehr ähnlich. Letztendlich wird eine Steigerung des Wohlbefindens angestrebt, mal kurzfristig, mal langfristig, mal oberflächlich und mal tiefgründig. Jetzt kann man einem Meditations-Guru nur schwer erklären, dass seine Meditation das Gleiche bezweckt wie eine Hypnosestunde. Das kann er kaum bestätigen. Das kann er vermutlich nicht glauben. Und ich erkläre auch gleich warum das so ist. Ich komme darauf zurück. Vorher will ich beginnen mehrere Themen zu verknüpfen, die für mich zusammengehören. 

Gedankentechniken, Hypnose im Speziellen und das Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von Harari. Ein interessanter Punkt aus dem Buch ist der, dass der Mensch als einziges Lebewesen Geschichten und Mythen erfinden kann, an die er und was noch viel interessanter ist, ein Kollektiv glaubt. Dadurch wird es möglich, dass viele Individuen, durch eine innere Motivation getrieben, gemeinsam für übergeordnete Ziele oder Werte arbeiten. Und das ist übrigens der wirkliche und einzige Vorteil, den das Tier Homo Sapiens gegenüber allen anderen Tieren evolutionär gesehen zu bieten hat.

Geschichten werden Realität

Diese Geschichten werden dabei real und sind über jeden Zweifel erhaben, bleiben jedoch nüchtern und wissenschaftlich betrachtet erfunden. Beispiele? Der Glaube an eine Religion, an bestimmte Werte, an politische Systeme, an Geld und an Firmen, an Sportvereine oder Idole. Wenn viele Individuen an das Gleiche glauben, dann wird es real für sie und bekommt reale Konsequenzen. Nehmen wir Länder mit Grenzen und Rechtsvorschriften oder „Geld“ – diese Dinge gibt es nicht per Naturgesetz. Sie sind aber absolut real mit Einfluss auf unser Leben und dennoch eigentlich nur eine Konsequenz aus einer erdachten kollektiv geglaubten „Geschichte“. Spannend.

Und diese erfundenen Geschichten (Mini-Exkurs: das „erfunden“ klingt vielleicht despektierlich, soll jedoch lediglich den Kernpunkt verdeutlichen und niemand soll sich dadurch angegriffen fühlen. Ich bin sehr offen und tolerant und akzeptiere fast jede ausgedachte Geschichte, solange mich niemand zwingen will an seine Geschichte zu glauben. Ich suche mir meine ebenfalls erfundenen Geschichten schon selber aus, an die ich glauben will! Ob man jetzt noch weiß, dass es eine ausgedachte Geschichte ist oder dies verdrängt, hat wiederum etwas mit Achtsamkeit und ein paar anderen Dingen zu tun, ist für den Moment aber auch gar nicht so wichtig); also diese erfundenen Geschichten erinnern mich eben an Gedankentechniken, bleiben wir mal bei Hypnose oder bei autogenem Training, also bei Techniken, bei denen man sich selbst oder anderen Dinge suggeriert, an die man glaubt (bei autogenem Training) oder vielleicht auch nicht wirklich glaubt (z.B. lustige Phänomene bei der Showhypnose) und dadurch reale Effekte erzielen kann.

Und der oben genannte Meditations-Guru glaubt eben an seine Geschichte, bzw. die seiner „Community“ oder seiner Gefolgschaft und da passt meist etwas ganz Ähnliches nicht perfekt rein und wird deshalb abgelehnt. So kann der Meditations-Guru mit seiner Anhängerschaft und seiner Weisheit schlecht zugeben, dass er eigentlich so etwas Ähnliches macht wie Hypnose. Das würde seine eigene Geschichte definitiv schmälern. Zumal ist es oft so, dass viele Geschichten, v.a. im Bereich Glaube, Lebensphilosophie, aber auch Politik oder Sport häufig sehr absolute Geschichten sind oder so gesehen werden. D.h. viele Anhänger dieser einen Geschichte sehen keine Alternativen.

Es ist „entweder, oder“, „dafür oder dagegen“, „Christ oder Moslem“, „Grüner oder Roter“. Ganz Ähnliches finden wir in vielen Gruppen. Die „Bayern-Fans“ glauben niemals an den „BVB“, obwohl von außen betrachtet, also von einem Nicht-Fußballfan gesehen, das ganz schön absurd ist, weil die Glaubenssätze je quasi identisch sind und nur die Farbe und der Dialekt unterschiedlich sind (alle Bayern- und BVB-Fans bitte ich hier um Verzeihung). Aber jeder kennt diese Beispiele in jeder Kultur, sei es die Dorf-Rivalität, eine Club-Rivalität, eine Landesrivalität usw.

All diese Rivalitäten sind Konsequenz der erfundenen Geschichten, die jemand mal gehört hat, angefangen hat daran zu glauben, daraus Befriedigung zieht und das dazugehörige Feindbild gleich mitgeliefert bekommen hat und das auch gleich mitglaubt und zwar kollektiv.

Ich möchte hier zum Ausdruck bringen, dass es mit Gedankentechniken möglich ist, Geschichten in Gehirnen real werden zu lassen und damit realer Einfluss auf das Wohlbefinden möglich ist. Lasst mich jedoch noch eine weitere Verknüpfung aufzeigen, die mir wichtig erscheint.

2 Systeme: Bewusst und Unbewusst

Gedankentechniken, Hypnose im Speziellen und das Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahneman: Das Buch beschreibt 2 Systeme im Gehirn. 

  • System 1: Schnell & automatisch, immer aktiv, emotional, unbewusst
  • System 2: Langsam, willentlich gesteuert, anstrengend, selten aktiv, logisch, berechnend, bewusst

Es handelt sich um ein langes Buch mit vielen spannenden Aspekten. Ich möchte keine Rezension dazu abgeben, lediglich die Erkenntnis teilen, dass es wissenschaftlich betrachtet diese interessante Unterteilung gibt.

Diese Einteilung erinnert mich stark an Hypnosetechniken, bei denen man das bewusste System 2 umgeht und vollen Zugang zum unbewussten System 1 sucht, während System 2-mal Pause macht. Dort angekommen, können Gedanken und Ideen so stark werden, dass das System 2 temporär bekannte Regeln und Erfahrungen komplett vergisst – zumindest temporär. Wenn man das trainiert oder von Kind an oder sehr lange in einem sozialen Kontext vorgelebt bekommt, dann kann nach meinem Verständnis das System 1 und 2 bzw. das Gesamtsystem im Zusammenspiel langfristig verändern. 

Und hier schließt sich der Kreis zu den Themen von oben. Ich erkenne für mich die Zusammenhänge zwischen kurzfristig ausgelegten hypnotischen Phänomen, die Arbeit mit dem unbewussten System 1, und langfristigen Lernmechanismen, die nur im Zusammenspiel beider Systeme nachhaltig sind und dadurch ein verbessertes Wohlgefühl erzeugen können. Bei den langfristigen Veränderungen sind wir im Bereich des Coachings, Mentorings, Führung, der Erziehung und natürlich der Psychotherapie (psychotherapeutischer Intervention, z.B. durch Suggestionsverfahren) angekommen.

Wenn dies auch kollektiv, also in einer Gruppe und im sozial akzeptierten Kontext geschieht, dann erleben wir Konsequenzen, die unsere Umwelt verändern. Im besten Fall können wir so etwas steuern und nutzen es für eine aktuell erstrebenswerte Geschichte. Dies kann positiv im privaten Umfeld genutzt werden und ist auch Bestandteil moderner Führungsansätze, wie dem Positive Leadership.

Exkurs: Persönlichkeitsbilder

Noch ein Exkurs zu Führung und Persönlichkeitsbildern, da sich die Theorien der Persönlichkeitsbilder ebenfalls gut mit den hier vorgestellten Themen verknüpfen lassen. Ich möchte dazu das Thema Führung im weiteren Sinne betrachten. Egal ob Selbstführung, Führung im familiären Kontext, im Büro, in der Führung von Einzelnen oder großer Gruppen, es ist stets wichtig zu wissen, dass einem gegenüber sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sitzen. Zum Glück haben diese etwas gemeinsam. Sie sind Menschen und streben nach innerem Wohlgefühl.

Man hat schon lange und sehr ausführlich versucht die Menschen einzuteilen. Eine Einteilung in 4 grobe Grundtypen ist dabei immer wieder zu finden. Dabei ist wichtig, dass Niemand zu 100% ein Typ ist, sondern immer eine Mischung und diese auch zeitlich veränderbar sein kann. Hinzu gibt es eine natürliche Ausprägung der Persönlichkeit und eine antrainierte oder aktuell gelebte Version, die den aktuellen Umständen geschuldet ist.

Und es ist wichtig zu verstehen, dass diese 4 Grundtypen gerne auch an ihre eigenen Geschichten glauben, so wie in jedem anderen Club eben auch. Aber wer glaubt was?

Ganz kurz und knapp, hier die Einteilung in die 4 üblichen Gruppen. Wer mehr dazu wissen will, findet schnell Informationen im Internet, z.B. bei Tobias Beck, von dem die Einteilung in die gleich genannten Tiere stammt oder das DISG Modell oder ähnliche Modelle der Persönlichkeitsprofile:

  • Hai-rot-Choleriker-dominant; extrovertiert & rational
  • Delphin-gelb-Sanguiniker-initiativ; extrovertiert & emotional
  • Wal-grün-Phlegmatiker-stetig; introvertiert & emotional 
  • Eule-blau-Melancholiker-gewissenhaft; introvertiert & rational

Und hier stelle ich hypothetisch dar, an was typischerweise die 4 Grundtypen aus meiner Sicht glauben.

  • Hai: glaubt an sich, an Gewinnen und an Macht
  • Delphin: glaubt an gemeinsamen Spaß, Freude, an Spontanität und Intuition
  • Wal: glaubt an die Gemeinschaft, Beständigkeit und Zusammenhalten
  • Eule: glaubt an Normen, Fakten, Regeln, Berechnungen, an Planungen und Exaktheit

Wenn man zu diesem Thema tiefer einsteigt kommt man schnell auch zum Thema der Grundängste. Eine Einteilung der Grundängste ist: Angst vor Nähe, Angst vor dem Alleinsein, Angst vor Veränderung und Angst vor Gefangensein, bzw. Festlegung.

Entstehung einer Erfolgsgeschichte

Doch zurück zum Thema „Geschichten erzählen“ und was das mit den Persönlichkeiten und mit Führung zu tun hat. Je nach Typ muss man die Geschichte vielleicht mit einem anderen Zungenschlag erzählen. Je nachdem, wer einem gegenüber sitzt, kann man sich überlegen, an was der gegenüber wohl glaubt. Und wenn man auch ein Gefühl für die Grundängste des Anderen hat, dann hilft das enorm, um die Person einzuschätzen. Dieses Erspüren des Anderen im Gespräch erinnert mich übrigens stark an Techniken aus dem Tai-Chi.

Wenn man sich dann im Gespräch langsam vor tastet und dabei die Glaubensgeschichte oder Grundangst des Gegenübers trifft, dann fällt es meist deutlich einfacher eine Motivation oder Überzeugung für ein Thema an die jeweilige persönlichkeitsgebundene Geschichte zu knüpfen. So kann die intrinsische Motivation des Gegenübers für die eigene Geschichte genutzt werden und die Motivation für etwas eingesetzt werden. Gute Coaches und Führungskräfte reflektieren sich und ihr gegenüber. Böse Zungen würden jetzt von Manipulation im Gespräch reden. Ich sehe es deutlich positiver und denke, dass man Niemanden wirklich erreichen oder bewegen kann, wenn man nicht auch ein wenig in die Tiefe schaut und sich aufeinander einstellt. Und das Ziel von Führung ist letztendlich eben die sozial akzeptierte Beeinflussung von Verhalten (vgl. Hochgeschurtz).

Und universelle Geschichten, die für viele oder alle einer Gruppe passen, die werden zu Erfolgsgeschichten oder sogar zu Megatrends. 

Und was ist jetzt die Quintessenz?

Ganz einfach. Ich glaube: Es lohnt sich, sich mit unserem Gehirn und mit Techniken zu beschäftigen, die die Funktionsweisen in unserem Gehirn ansprechen. Vielleicht verstehen wir noch nicht alles, aber ich glaube, dass es sich lohnt. Für jeden. Denn ich bin überzeugt, dass wir uns wohl fühlen wollen. Und ein Weg nach „Rom“ ist der, mit unseren Emotionen, Gedanken und Stimmungen zu arbeiten, diese zu reflektieren und bewusst zu bearbeiten, auch mit Hilfe des Unbewussten. Dies ist ein möglicher Weg. Ich gehe ihn. Und ich versuche dabei dennoch offen zu bleiben und nicht zu vergessen, dass auch meine Geschichte ausgedacht ist.

Wir sollten nicht vergessen, dass zumindest die meisten von uns in einem stark verwobenen realen Kontext leben, der aus vielen der erfundenen Geschichten geflochten ist und ganz reale Einflüsse auf uns hat. So werde ich meine Geschichte glauben und bin stets offen für andere Geschichten, v.a. für diejenigen, die mich dem Ziel, dem Wohlfühlen näher bringen. Wenn ich also im Lotto gewinne und plötzlich richtig reich bin, dann glaube ich noch mehr an den Wohlstand und den Reichtum und das Glück.  😉

In diesem Sinne, viel Freude und Erfolg auf eurem Weg zu eurem Ziel. Und wenn ich euch helfen kann oder ihr mir, dann lasst es mich wissen.

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