Heute möchte ich eine Verbindung aufzeigen zwischen den verschiedenen Bereichen unseres Bewusstseins und den unterschiedlichen Ebenen von „Verstehen“ zu einem Thema. Es geht dabei um Lernen, Erlangen von Fertigkeiten und dem wahrhaften Erleben einer Fertigkeit bis hin zur absoluten Beherrschung einer Fertigkeit oder Fähigkeit (Meisterschaft, Virtuosität).
Zur Erinnerung
Zu Beginn möchte ich nochmals kurz die 2 Systeme im Gehirn erwähnen (siehe auch meinen Artikel vom 26.01.2020):
- System 1: Das Unbewusste oder Unterbewusstsein, schnell & automatisch, immer aktiv, emotional, unbewusst, unbegrenzte Aufnahmefähigkeit, komplex, Lernen aus Erfahrung, Intuition
- System 2: Das Bewusste oder Bewusstsein, langsam, willentlich gesteuert, anstrengend, selten aktiv, logisch, berechnend, bewusst, begrenzte Aufnahme- und Merkfähigkeit, linear, akademisches Wissen, logisches Denken
Das Lernen von Sachverhalten und Erlernen von Fähigkeiten geschieht prinzipiell immer vernetzt und findet in beiden Systemen statt. Es gibt jedoch Themengebiete, die sich jeweils für das eine oder andere System besser anbieten. Zum Beispiel wird Schulwissen häufig über System 2 (das Bewusste) eingesteuert und gelangt erst durch viel Übung und Wiederholung in System 1 (das Unbewusste).
Tiefes Lernen mit beiden Systemen
So ist für einen 6-Jährigen Erstklässler das Rechnen von 4+2 oft harte Arbeit, die sehr bewusst, sehr linear und sehr logisch durch Abzählen der Finger hergeleitet wird. Über die Zeit wird dieses Wissen bei den meisten von uns so oft wiederholt und zusätzlich im täglichen Leben gesehen, erfahren und gefühlt, dass wir es intuitiv und automatisch richtig machen, ganz ohne dies bewusst zu berechnen. Wir müssen die 6 Äpfel in der Schachtel nicht zählen. Wir müssen die 6 Finger nicht zählen. Wir müssen die 6 auf dem Würfel nicht nachzählen. All dies erkennen wir sofort. Intuitiv. Erlebt.

Um zu diesem Grad des Erlernens zu gelangen reicht aus meiner Sicht das pure Wiederholen nicht aus. Die Wiederholung ist sicherlich notwendig für fast jede Art des Erlernens von Neuem. Sie ist wohl notwendig, aber nicht ausreichend, um das Wissen oder eine Fähigkeit dauerhaft und tief im System 1 zu verankern. Dazu muss aus meiner Sicht eine stärkere Verknüpfung mit dem Unterbewussten erfolgen.
So kann das neue Wissen im Alltag mit Emotionen und Erfahrungen verbunden werden und dadurch zu intuitivem Wissen werden. Das Kind erkennt die 6 sehr schnell in Spiel, denn meistens ist das eine sehr gute Zahl und man darf nochmal würfeln. Die 6 wird häufig schneller erkannt und auch besser gemerkt. Übrigens ist es mit der 1 ganz ähnlich, da es hier ebenfalls meist emotional zugeht, leider auf der entgegengesetzten Seite.
Ein Beispiel auf höherem Niveau ist ein professioneller Sportler, der eine neue Technik lernt. Zuerst liest er vielleicht davon oder sieht diese Technik. Dann versucht er diese selbst. Dann stellt er sich vor, dass er diese benutzt und verknüpft eine Leistungssteigerung oder einen Sieg mit dieser Vorstellung. Dann trainiert er weiter und übt und übt und übt. Dabei wird er die Technik auch in Gedanken und im Schlaf und im Halbschlaf anwenden. Und erst die Kombination der 2 Systeme und das langfristige Verankern im unterbewussten System 1 wird dazu führen, dass der Sportler für sich ein hohes Niveau erreichen kann. Es gibt bestimmt Fähigkeiten und Kenntnisse auf hohem Niveau, die primär durch das unterbewusste System 1 erlernt wurden und denen das akademische Wissen weitgehend fehlt.

Dazu kann man sich einen begabten Straßenfußballer vorstellen, der nie Techniktraining erhalten hat oder einen Straßenkämpfer, der nie eine Kampfsportschule gesehen hat oder ein Wunderkind, dass einfach so das Erspielen eines Instruments erlernt hat, ohne jemals Noten zu lernen. Die meisten von uns müssen sich neues Wissen und Fähigkeiten jedoch hart erarbeiten und nähern sich oft über das System 2 (Lesen, Faktenwissen, Hintergründe erfahren, logisches Erarbeiten).
System 1 bringt Lernvorteile
Wenn es uns gelingt, dieses Erlenen mit dem Unbewussten besser zu verknüpfen, so wird es nicht nur schneller gelingen ein akzeptables Niveau zu erreichen, es wird auch weniger anstrengend sein und kann sogar Freude bereiten. Diesen Umstand machen sich wiederum die Gedankentechniken und die Hypnose im Speziellen zu Nutzen. Man kann mit der Hypnose auch sehr schnell eine Brücke zum Unterbewusstsein bauen und daher sehr schnell beeindruckende Phänomene bewirken, die häufig kurzfristiger Natur sind. Man kann die empfundene Realität durch Fokussierung auf das Unbewusste beeinflussen und so z.B. erlerntes Wissen verschwinden lassen oder erfinden.
Beispiele dafür sind das Vergessen von Zahlen, dem eigenen Namen oder das Erfinden einer Sprache. All dies sind Phänomene, die unter Hypnose möglich sind. Wie bereits erwähnt, handelt es sich oft um kurzfristige Phänomene, vor allem im Show-Bereich, deren grundlegende Wirkung dennoch sehr interessant für echtes Lernen ist. Denn für reales Lernen gilt es nach meinem Verständnis die Verbindung zwischen den 2 Systemen zu fördern und zu fordern, um möglichst effiziente und effektive Lernfortschritte zu erzielen.
Viele Techniken von Lehrern sind ebenfalls darauf ausgelegt und so wird nach Verknüpfungen zur emotionalen Ebene gesucht, „bewegtes Lernen“ gefördert und so weiter. Ich glaube, dass das Verständnis für die Grundmechanismen der beiden Systeme in unserem Gehirn diese Lerntechniken für die Anwender noch stärker werden lässt. So werden dann auch die Lerntechniken von beiden Systemen verstanden, gefühlt und erlebt. Ich schließe heute in Anlehnung an ein Zitat, dass dem österreichischen Verhaltensforscher Konrad Lorenz zugeschrieben wird:
Gehört oder gelesen ist nicht verstanden, verstanden ist nicht gefühlt, erlebt, emotional verarbeitet und gefühlt, erlebt ist noch nicht dauerhaft zur Verwendung und Perfektionierung verankert.
In diesem Sinne, viel Freude beim Verstehen, Erleben und Lernen!